Von der Energiewende zur Geldwende – Bericht der Redaktion

Die GLS Bank Stif­tung veran­stal­te­te am 1. Und 2. Mai 2014 in den Räumen der Univer­si­tät Witten-Herde­cke den ersten soge­nann­ten „Geld­gip­fel“.

Ein Ziel der von der „Gemein­schafts­bank Leihen und Schen­ken“ in Bochum gegrün­de­ten GLS Bank Stif­tung ist die Arbeit an den Grund­la­gen der Geld­ord­nung. Geld soll als nach­hal­ti­ges, sozia­les und ökolo­gi­sches Gestal­tungs­mit­tel wirken und eine dienen­de Funk­ti­on für Wirt­schaft und Gesell­schaft wahr­neh­men. „Ohne uns dem Thema Geld zuzu­wen­den, werden wir auf die zentra­len Zukunfts­fra­gen des Klima­wan­dels, der Zerstö­rung natür­li­cher Lebens­grund­la­gen, des system­im­ma­nen­ten Wachs­tums­zwangs und einer wach­sen­den sozia­len Ungleich­heit nur unbe­frie­di­gen­de Antwor­ten finden können.“ Das schrei­ben Lukas Beck­mann, Vorstand der Stif­tung und der Vorstands­spre­cher der GLS-Bank Thomas Jorberg im Begleit­heft zur Tagung. Das Programm zum Geld­gip­fel befass­te sich dementspre­chend mit den entschei­den­den Fragen der poli­ti­schen und recht­li­chen Durch­set­zung einer neuen Geldordnung:

  • Wodurch beein­flusst und fesselt Geld unser Denken und Handeln?
    Wie kommt Geld in die Welt?
    Warum fließt es oft am schwers­ten dort­hin, wo,es am drin­gends­ten gebraucht wird und wie im Flug dort­hin, wo der höchs­te Gewinn für Wenige winkt zu Lasten von Vielen?
    Was haben Staats­schul­den mit Privat­ver­mö­gen und Renten­ver­si­che­run­gen zu tun?
    Was haben Zinsen mit Wachs­tum und Entwick­lung zu tun?
    Was muss verbo­ten werden?!
    Was muss neu regu­liert werden?
    Wie müssen Banken ihre Geschäfts­mo­del­le ändern?
    Wie konnte es passie­ren, dass sich global ein ökono­mi­sches Main­stream­den­ken durch­ge­setzt hat, das keine Antwor­ten auf aktu­el­le Krisen weiß und keine Lösungs­an­sät­ze anbie­tet für eine nachhaltige
    Geld- und Finanz­ord­nung, die der Befrie­di­gung mensch­li­cher, nach­hal­ti­ger Bedürf­nis­se verpflich­tet ist und sich in den Dienst der Real­wirt­schaft stellt?
  • Lukas Beck­mann appel­lier­te gleich in seiner Eröff­nungs­re­de, die Geld­be­we­gung zu einem „Unter­neh­men“ anwach­sen zu lassen. Die heuti­ge erschüt­tern­de Geld­ord­nung sei exis­tenz­ge­fähr­dend und müsse komplett anders als bisher gestal­tet werden. Da eine Geld­be­we­gung, vergleich­bar mit der „Ener­gie­be­we­gung“ einer gesell­schaft­li­chen und poli­ti­schen Vorbe­rei­tung bedarf, seien zeit­li­che Dimen­sio­nen zu berück­sich­ti­gen. Im letz­ten Vortrag der Tagung griff Prof. Rein­hard Loske diesen Aspekt auch auf und stell­te die Frage, welches dabei das eini­gen­de Band sein könne.

    Prof. Dr. Rudolf Wimmer, Vize­prä­si­dent der Univer­si­tät Witten/Herdecke, umriss in der Begrü­ßungs­an­spra­che Wirkun­gen der Geld­ord­nung und machte deut­lich, dass die heute zur Regel gewor­de­nen „selbst­re­fe­ren­ti­el­len“ Geschäf­te des Geldes (mit sich selbst) einer Neuaus­rich­tung bedürfen.

    Krise der Ratio
    Prof. Dr. Karl Heinz Brod­beck prägte in seinem Vortrag das Bild, das den Geld­gip­fel beglei­ten sollte. Im „Welt­ge­bir­ge der Geld­ord­nung“ seien die Mitglie­der der Geld­be­we­gung die „Sher­pas“, denen die Aufga­be zufal­le, das Basis­la­ger aufzu­bau­en. Über­eil­te Aufbrü­che könn­ten zum Schei­tern der Expe­di­ti­on führen. Die Planung von Zwischen­la­gern sei dem über­has­te­ten Gipfel­sturm vorzuziehen.

    Unter Exper­ten, aber auch in weiten Teilen der Bevöl­ke­rung herr­sche Unklar­heit über Termi­ni, ange­fan­gen beim nahe­lie­gends­ten. „Was ist Geld?“ Die Sprach­lo­sig­keit unter­schied­lichs­ter Wissen­schafts­ge­bie­te hinsicht­lich dieser Frage trägt zur Verwir­rung bei. Brod­beck sieht in der Vorstel­lung, Geld habe eine Substanz einen ersten bedeut­sa­men Sach­ver­halt, der hinter­fragt werden müsse. Mit einer gedank­li­chen Zeit­rei­se durch die Geschich­te des Geldes zeigte der Wissen­schaft­ler und Philo­soph die Viel­falt des Umgangs, aber auch ober­fläch­li­che Denk­wei­sen auf, wie jene, die Geld als „Erfin­dung“ ansieht. Dem rech­nen­den Denken als beson­de­re Bewusst­seins­form folgte die kauf­män­ni­sche „Ratio“. Brod­beck ordne­te diesen Umbruch dem Jahr 1202 zu, in dem der Mathe­ma­ti­ker Fibo­na­ci das „Liber abaci“ veröf­fent­lich­te. Damit habe ein neues Zeit­al­ter begon­nen. Die Vermes­sung der Welt nahm ihren Anfang. Ein mathe­ma­ti­sches System, mit dessen Hilfe man Urtei­le ausschal­ten und die Dinge selbst spre­chen lassen konnte, waren entschei­den­de Voraus­set­zun­gen, dafür, dass Geld in der heuti­gen Form entstand und seine Wirkung entfal­te­te. „Die Welt muss vermes­sen werden, damit Geld funk­tio­nie­ren kann“, konsta­tiert der Volks­wirt­schafts­pro­fes­sor und ergänzt: „Geld zwingt uns und in eine Maßaus­le­gung und offen­bart so eine Welt der Physik und der Mathematik.“

    „Mone­tä­re Prag­ma­ti­ker“ verstan­den es, zu allen Zeiten den inter­na­tio­na­len Handel mit globa­lem Geld zu betrei­ben. Der Wandel vom Geld mit Substanz, wie Gold­mün­zen und Ähnli­chem, hin zum „Ghost Money“ (Geis­ter­geld) heuti­ger „Prägung“ änder­te nur wenig an der Vorstel­lung des Geldes als Rech­nungs­ein­heit. Wenn­gleich Geld selbst zu keiner Zeit einen Wert konsti­tu­iert hat.

    Das „Sein“ von Geld war stets eher ein „Schein“. „Geld ist und bleibt ein Prozess!“ Geld ist weder Subjekt noch Objekt, sondern vermit­telt ledig­lich Subjek­te. Die Vorstel­lung, Geld selbst habe einen Wert, ist nur dadurch aufrecht­zu­er­hal­ten, dass sie kollek­tiv gepflegt wird. Das Wesen des Geldes kann demzu­fol­ge nur eines sein: Vertrauen.

    Geld verbin­det die Arbeit der Menschen und grün­det auf Vertrau­en. Daraus folgt fast zwangs­läu­fig, was bereits Platon fest­hielt. „Geld gehört uns allen. Geld ist Gemein­be­sitz.“ Die Geld­ord­nung von heute lässt einen entschei­den­den priva­ten Miss­brauch des Gemein­gu­tes zu. Ein von vielen Anhän­gern der Geld­be­we­gung als leis­tungs­los bezeich­ne­ter Gewinn, der Zins, beför­dert ein Stre­ben nach Geld, dem sich niemand entzie­hen kann.

    „Wenn ich kein Geld habe, aber in einer Geld­wirt­schaft lebe,“ stellt Brod­beck fest, „muss ich nach Geld stre­ben.“ Die frühes­te Wachs­tums­ra­te, die es gibt, ist der Zins.

    Vom Zins geht auch der Wachs­tums­zwang der Wirt­schaft aus und er sorgt im Laufe der Zeit für eine zuneh­men­de Ungleich­ver­tei­lung. Brod­beck wies auf das jüngst in engli­scher Spra­che erschie­ne­ne Werk des fran­zö­si­schen Ökono­men Thomas Piket­ty hin, das für erheb­li­ches Aufse­hen sorge. Nicht zuletzt, weil der Wirt­schafts­pro­fes­sor an der Pari­ser Univer­si­tät in wissen­schaft­li­cher Recher­che­ar­beit bestä­tig­te, was lange vermu­tet wurde. Mit Beginn der Aufzeich­nung verläss­li­cher Daten – in manchen Ländern vor 200 Jahren – führt es zu einer Zunah­me von Ungleich­heit, wenn das Wachs­tum von Kapi­tal über dem der Real­wirt­schaft liegt. Die Abkopp­lung dieser Wachs­tums­ra­ten findet grund­sätz­lich nach einer gewis­sen Zeit­span­ne statt. In der Wirt­schaft sind die Teil­neh­mer gezwun­gen, die Schran­ke des Geldes, die vom Zins „kontrol­liert“ wird, stets aufs Neue zu über­win­den. Brod­beck sieht die Gesell­schaft deshalb weni­ger in einer Wirt­schafts­kri­se, als viel­mehr in einer Krise der Ratio. Eine Neuge­stal­tung der Wirt­schaft und des Geldes sei inner­halb des heuti­gen Geld­den­kens nicht umsetzbar.


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