Soli­da­ri­sches Spa­ren und Lei­hen … – Hans-Jörg Schlichte

Das Projekt „Soli­da­ri­sches Sparen und Leihen“ als Beispiel einer Mikrofinanzierung

Geld bestimmt stän­dig unse­ren Alltag. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, einer umfas­sen­den Ökono­mi­sie­rung und Mone­ta­ri­sie­rung ausge­setzt zu sein, die alle Berei­che des Lebens beein­flusst. Was aber macht Geld eigent­lich mit uns? Zunächst ist fest­zu­hal­ten, dass Geld ein umfas­sen­des arbeits­tei­li­ges Wirt­schaf­ten erst ermög­licht. Gewöhn­lich erhal­ten wir Geld, indem wir eine Leis­tung erbrin­gen. Zu einer ande­ren Zeit und einem ande­ren Ort können wir dann dieses Geld in eine für uns gewünsch­te und passen­de Leis­tung tauschen. Dies wird manch­mal die Trans­port­funk­ti­on des Geldes genannt. Inso­fern verbin­det Geld.

ABER! Geld grenzt auch aus! Wer kein Geld besitzt, kann am Wirt­schafts­pro­zess nicht mehr teil­neh­men. Er wird im wört­li­chen Sinn obdach­los. AUSSERDEM! Zwar verbin­det Geld im arbeits­tei­li­gen Wirt­schafts­pro­zess die Menschen in ihren Leis­tun­gen mitein­an­der, aber es vermit­telt dadurch auch mensch­li­che Bezie­hun­gen beson­de­rer Art. Wenn man genau hinsieht, liegt diese Art von Bezie­hun­gen sprich­wört­lich auf der Hand, wird aber oft nicht genannt oder erkannt. Es ist die Zahl auf dem Geld­schein. Es ist eine berech­nen­de, buch­hal­te­ri­sche Bezie­hung. Mensch­li­che Verhält­nis­se und Hand­lun­gen werden in Zahlen ausge­drückt, quan­ti­fi­ziert. Die Vorstel­lung ist absurd, dass Liebes­be­zie­hun­gen – die Liebe – alles das, was das mensch­li­che Leben, seine Quali­tät ausmacht, quan­ti­fi­ziert, berech­net werden könnte. Aber in der Tat, Menschen der kapi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaft leben in dieser Illu­si­on. Die sexu­el­le Prosti­tu­ti­on, die Zensur­ge­bung für intel­lek­tu­el­le Leis­tun­gen, die Feti­schi­sie­rung des Sports nach Zeit, Höhe, Länge, Punkt­zah­len, die Beschrei­bung der volks­wirt­schaft­li­chen Leis­tung als Brut­to­so­zi­al­pro­dukt, usw., aber beson­ders die Ausbeu­tung des Werk­tä­ti­gen in seinem Waren­da­sein zeigt die Absur­di­tät dieser Gesell­schaft, die im kauf­män­ni­schen Hand­lungs­mo­dell dem Fetisch Geld erliegt. Das soll noch näher erläu­tert werden:

Menschen arbei­ten in unse­rem Wirt­schafts­sys­tem für Geld. Sie werden entlohnt, entgol­ten. Sie tauschen für eine vertrag­lich fest­ge­leg­te Zeit ihre Tätig­keit gegen Zahlen auf Geld­schei­nen oder auf einem Lohn­kon­to ein. Mit dieser Zahl schätzt der Geld­ge­ber – hier der Unter­neh­mer oder sein Stell­ver­tre­ter – ein, welchen Wert er der Tätig­keit beimisst. Letzt­lich verschwin­det bei diesem Tausch­vor­gang die Bedeu­tung der Quali­tät der Tätig­keit. Bedeut­sam für den Geld­ge­ber ist nur, inwie­weit das Resul­tat der Tätig­keit sich wieder in Zahlen umtau­schen lässt. Auch die Befind­lich­keit des Täti­gen oder seine Moti­va­ti­on ist im Grunde uner­heb­lich. Er ist durch jede Person austausch­bar. Die Bezie­hung zwischen Geld­ge­ber und Geld­emp­fän­ger wird durch Zahlen ausge­drückt. Ihre Verding­li­chung wird abstrakt und drückt sich in der doppel­ten Buch­hal­tung des Unter­neh­mens aus. Die Betei­lig­ten nähren dabei die Illu­si­on, sie hätten mit dem Geld etwas Konkre­tes getauscht. Das jedoch liegt in der Zukunft und lässt sich erst erfah­ren, wenn das Geld wieder in Waren umge­tauscht wird. Dort wird sich erst in der Gestalt des Waren­be­sit­zers klären, welche Quali­tät sich gegen die Zahl auf dem Geld­schein oder dem Gehalts­kon­to eintau­schen lässt. Und hier wieder­holt sich die Gleich­gül­tig­keit des Vorgangs gegen­über der Quali­tät der Ware und der Person des Käufers. Für den Verkäu­fer muss die Zahl stim­men. Quali­tät und Person sind uner­heb­lich. Wird in Geld gedacht, verschwin­det hinter der Zahl die reale Welt, es ist die Welt der kauf­män­ni­schen Buchhaltung.

In dieser Hinsicht ist unser Geld­sys­tem sozial zerstö­re­risch. DESWEGEN, vor allem auch in der gegen­wär­ti­gen globa­len Finanz- und Wirt­schafts­kri­se, in der das Geld­sys­tem insta­bil ist und der Wohl­fahrts­staat zu schrump­fen droht, sind Bürger ermu­tigt, sich selbst zu helfen und gegen­sei­tig zu unter­stüt­zen. Verein­zelt wird über­legt und auspro­biert, wie es anders funk­tio­nie­ren kann. Das Projekt „Soli­da­ri­sches Sparen und Leihen“ ist neben seiner prak­ti­schen Bedeu­tung auch ein Übungs­feld. Menschen haben Fähig­kei­ten, Impul­se und Bedürf­nis­se, aber ihnen stehen zu deren Verwirk­li­chung und Befrie­di­gung ganz unter­schied­li­che Geld­men­gen zur Verfü­gung. Mit dem Projekt „Soli­da­ri­sches Sparen und Leihen“ soll ein teil­wei­ser Ausgleich statt­fin­den. Außer­dem sollen Erfah­run­gen in einem alter­na­ti­ven Umgang mit Geld gesam­melt werden und real die Not, die sich aus der mangeln­den Geld Ressour­ce ergibt, gelin­dert werden: …

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